‚Luther und die Juden’ ist für einen Abend das Thema des Arbeitskreises Stolpersteine Rehburg-Loccum gewesen. Dr. Jens Gundlach, Theologe und Journalist, hat sich des Verhältnisses des
Reformators zu Juden mit einem Vortrag angenommen.
Sieben Thesen hat Gundlach zu Beginn seines Vortrags gestellt. Etwa, dass Luther im rassistischen Sinne ein Antisemit seiner Zeit gewesen sei. Dass die Nationalsozialisten Luthers Äußerungen benutzten, um den Holocaust vorzubereiten und durchzuführen. Auch, dass Luthers Judenfeindschaft den Holocaust mit beförderte – was eine schwere Erblast im Hinblick auf das Reformationsjubiläum in 2017 sei. Eine Vernichtung der Juden habe Luther aber ausdrücklich nie gewollt, wenngleich seine Sprache Vernichtungsphantasien und Mordlust aufgewiesen habe.
Der junge Luther, führte Gundlach aus, sei durchaus auf die Juden zugegangen, habe Reformen auch im Verhältnis zu ihnen angestrebt und sei von jüdischen Gemeinden als Hoffnungsträger angesehen
worden. Allerdings, so schränkte Gundlach ein, habe für ihn dabei im Vordergrund gestanden, dass Juden durch dieses Zugehen auf sie bekehrt werden könnten. Der alte Luther hingegen sei enttäuscht
gewesen, dass seine Bekehrungsabsichten so wenig gefruchtet hätten – was sich in judenfeindlichen Schriften Luthers geäußert habe. In einem Handlungskatalog, den er Fürsten und Magistraten
vorlegte, habe Luther unter anderem gefordert, dass die Synagogen verbrannt, die Juden alle „unter ein Dach oder in einen Stall“ gepfercht, ihnen ihre Schriften weggenommen und Gottesdienste
verboten werden sollten. “Zum Land ausgetrieben“ sollten sie werden.
Eine intensive Diskussion und viele Fragen von den rund 80 Zuhörern im Saal der ‚Romantik Bad Rehburg’ folgte auf den Vortrag Gundlachs. Ob denn die rechte Szene heutzutage nicht geradezu
aufgefordert werde, sich Luthers Judenfeindlichkeit wieder zu eigen zu machen, fragte ein Zuhörer. Sollte dieses Kapitel nicht lieber verschwiegen werden? Nein, entgegnete Gundlach.
Selbstaufklärung sei notwendig - gerade auch im Hinblick auf das Reformationsjubiläum. Kirchenfeindliche Seiten könnten dieses Thema ansonsten so aufgreifen, dass es den Kirchen „um die Ohren
fliege“. Luther habe außerdem in den Jahrhunderten bis heute auf einem zu hohen Sockel gestanden.
Sein Luther-Bild habe an diesem Abend einen Knacks bekommen, sagte ein Zuhörer. Die Frage danach, ob diese Seite von Luther denn mittlerweile in Schulen auch gelehrt werde, musste Gundlach
verneinen. Vermutlich zu schwierig, zu vielschichtig sei diese Seite des Reformators und werde deshalb nicht einbezogen.
Einer, der sich lebhaft an der Diskussion beteiligte, war der Abt des Klosters Loccum, Horst Hirschler. In vielerlei Hinsicht, könne er Gundlach widersprechen, sagte Hirschler zu Beginn, wollte
aber auch nicht leugnen, dass die Ansichten Luthers zu den Juden grundverkehrt waren. Bedacht werden müsse dabei allerdings, dass Menschen stets mehr als eine Seite hätten. Sie könnten
gleichzeitig fantastisch, aber auch Halunken sein. Die Lacher hatte Hirschler mit seinem Bekenntnis „Ich habe auch genug Dreck am Stecken“ auf seiner Seite.
Resümierend meinte Gundlach, dass das positive Luther-Bild durch die Auseinandersetzung mit dessen Einstellung zu den Juden zwar eingeschränkt, aber keineswegs abgeschafft werde. Die Vereinigte
Evangelisch-lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) berate jedenfalls gemeinsam mit der Katholischen Bischofskonferenz über einen demonstrativen Bußakt zum Reformationsjubiläum, bei dem die
Verbrechen und Versäumnisse aus 2000 Jahren Geschichte des Christentums aufgegriffen werden sollen – Luthers Judenhass inbegriffen.
Der Vortrag ‚Luther und die Juden’ von Dr. Jens Gundlach ist hier hinterlegt.
am 22. April um 19.30 Uhr in der Romantik Bad Rehburg
Einem insbesondere im Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017 viel diskutierten Thema widmet sich Jens Gundlach am Mittwoch, dem 22. April, 19.30 Uhr, in der ‚Romantik Bad Rehburg’. ‚Luther und die Juden – belastendes Erbe für den deutschen Protestantismus’ ist der Titel seines Vortrags.
Im Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) gehört Jens Gundlach zu denjenigen, die am Reformationsjubiläum 2017 mitarbeiten. Gefeiert werden soll dann der 500. Jahrestag des
Thesenanschlags zu Wittenberg, mit dem die Reformation eingeleitet wurde. Dass Martin Luther in diesem Zusammenhang große Aufmerksamkeit gewidmet wird, versteht sich von selbst. Anerkennung für
viele seiner Leistungen wird ihm gezollt. Manches, das er hinterlassen hat, steht allerdings auch in der Kritik. Einer dieser Punkte sind sicherlich seine Äußerungen zu Juden und Judentum.
Jens Gundlach widmet sich nun diesem Thema und schreibt dazu: „Martin Luthers religiös motivierter Antijudaismus und Antisemitismus waren keine "Ausrutscher" des Reformators in seiner letzten
Lebensphase, sondern markanter Bestandteil seiner Theologie und seiner Kirchenpolitik. Weil die Juden sich mehrheitlich weigerten, zum Christentum überzutreten, überzog er sie mit übelster Hetze
und Verleumdung. Die Obrigkeiten seiner Zeit drängte er, ihre Synagogen, religiösen Schriften und Häuser zu verbrennen, sie zu enteignen, sie der Zwangsarbeit zu unterwerfen und sie letztlich aus
Deutschland und Europa zu vertreiben. Die Bevölkerung forderte Luther auf, Juden anzugreifen und zu ächten. Deren systematische Vernichtung lehnte er ab. Einen "Holocaust" wollte Luther nicht,
aber die Nazis beriefen sich bei ihrer Judenverfolgung auf Luther.“
Jens Gundlach arbeitete nach dem Studium der Theologie als Journalist für die ‚Welt’ und die ‚Hannoversche Allgemeine Zeitung’. Er war Mitglied des Konvents der Evangelischen Akademie Loccum und
ist Begründer des Pilgerweges Loccum-Volkenroda. Im Jahr 2009 promovierte er. Seine Doktorarbeit trägt den Titel ‚Heinz Brunotte – 1896 bis 1984. Anpassung des Evangeliums an die NS-Diktatur’.
Zu dem Vortrag lädt der Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg-Loccum ein.
Der Eintritt ist kostenlos.
Heidtorstraße 1
31547 Rehburg-Loccum
Tel.: (0174) 9139598
arbeitskreis@stolpersteine-rehburg-loccum.de
Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg-Loccum
Sparkasse Nienburg
IBAN: DE54 2565 0106 0036 1924 09
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„Faktencheck zur NS Zeit für Schüler“
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