Aktionen gegen Rassismus ausgezeichnet

Elisabeth-Weinberg-Preis an Jugendliche vergeben

Zwei Gruppen von Jugendlichen hat Nienburgs Landrat Detlev Kohlmeier mit dem Elisabeth-Weinberg-Preis ausgezeichnet, eine dritte hoch gelobt. Einer der Preisträger sind die Jugendlichen, die innerhalb unseres Arbeitskreises die Lesung zu Flüchtlingen seit der NS-Zeit inszeniert haben. Seit 2001 wird dieser Preis jährlich zum Jahrestag der Pogromnacht vergeben.

Das Engagement junger Menschen gegen Rassismus und Diskriminierung hat der „Runde Tisch gegen Rassismus Nienburg“ mit dem Elisabeth-Weinberg-Preis ausgezeichnet.
Das Engagement junger Menschen gegen Rassismus und Diskriminierung hat der „Runde Tisch gegen Rassismus Nienburg“ mit dem Elisabeth-Weinberg-Preis ausgezeichnet.

„against racism“ erfüllt alle Kriterien für die Preisvergabe. Die Gruppe junger Menschen aus Nienburg und Umgebung, die 2014 zusammenfand, engagiert sich gegen die rechte Szene in Nienburg, macht mit Aktionen darauf aufmerksam und ist seitdem manches Mal Beleidi­gungen und Bedrohungen aus jener Szene sowohl über das Internet als auch „auf der Straße“ ausgesetzt gewesen. Dennoch – oder gerade deshalb – machen sie weiter mit ihren Aktionen. „Davon haben wir uns nicht abhalten lassen, obwohl die Polizei immer noch Neonazis in Nienburg leugnet“, sagte Torben, einer aus der Gruppe, zur Preisverleihung. Seit einer noch nicht lange zurückliegenden Diskussionsveranstaltung, die sie im Nienburger Kulturwerk angeboten hätten, sei mittlerweile aber vielen Nienburgern klar, dass es solch eine rechte Szene in ihrer Stadt tatsächlich gebe, fügte er hinzu. Damals sei eine Gruppe von Neonazis, vermummt und mit Schlagstöcken bewaffnet, in den Saal gestürmt. Ihre Aufklärungsarbeit in Schulen will „against racism“ noch verstärken, eventuell ist für das kommende Jahr auch ein Konzert geplant.

 

Nach der Preisverleihung setzen Ülkü Kahraman und Serivan Bagari ein Zeichen: sie beschriften einen der Papphocker, mit denen in der Ausstellung um Statements gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit gebeten wird.
Nach der Preisverleihung setzen Ülkü Kahraman und Serivan Bagari ein Zeichen: sie beschriften einen der Papphocker, mit denen in der Ausstellung um Statements gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit gebeten wird.

Durchaus skeptisch sei die Jury des Preises gewesen, sagte Kohlmeier, als diese Gruppe 2014 zum ersten Mal als Preisträger vorgeschlagen wurde. In erster Linie sei es allerdings um die Frage gegangen, ob sie tatsächlich nach den Kriterien der Preisvergabe – für ein gleich­be­rech­tigtes Miteinander, gegen Rassismus, Anti­semi­tismus und Dis­kri­mi­nierung von Menschen - handle und das auch nachhaltig tun werde. Nun, wo die Gruppe im dritten Jahr bestehe, habe die Jury keinen Zweifel mehr. Als erster Preis­träger und mit einem Preisgeld von 1.200 Euro zeichnete er „against racism“ aus.


Der zweite Preis ist an die Jugendlichen aus unserem Arbeitskreis gegangen, die eine Lesung entwickelt haben zu „Flüchtlingen seit der NS-Zeit“. „Ihnen ist dort etwas ausgesprochen Gutes zu einem schwierigen Thema gelungen“, sagte Kohlmeier, mit ihrer Lesung hätten sie einen wichtigen Beitrag gegen das Vergessen geleistet und gleichzeitig den Bogen in die Gegenwart geschlagen. Dass das weitere Kriterium des Preises, nämlich die Eigeninitiative von Jugendlichen, in dieser Arbeit nicht vollkommen erfüllt sei, habe dazu geführt, dass sie den zweiten Preis – mit 800 Euro dotiert – bekommen würden. Allerdings fügte Kohlmeier auch hinzu, sei dieses Projekt ohne etwas professionelle Unterstützung nicht zu bewältigen gewesen. Wie sie ihr Projekt erlebt haben – und noch erleben, denn weitere Lesungen sind geplant – trugen die Jugendlichen vor. Eine unglaublich tolle Erfahrung sei die Arbeit daran gewesen, sagte Serivan, die sie am liebsten mit der ganzen Welt teilen wolle und fügte hinzu: „Ich hoffe, dass sich mehr Jugendliche für solche Geschichten interessieren und etwas unternehmen, damit wir nicht noch mehr solcher Geschichten hören müssen.“

Freude über den Preis: drei der Jugendlichen aus dem Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg-Loccum mit dem Anschreiben, das sie als Preisträger ausweist.
Freude über den Preis: drei der Jugendlichen aus dem Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg-Loccum mit dem Anschreiben, das sie als Preisträger ausweist.

Den „Peer Guides“ – einer Gruppe junger Menschen, die im Frühjahr in einer Anne-Frank-Ausstellung in Nienburg rund 700 Menschen diese Ausstellung und ihre Hintergründe erklärt hat – dankte Kohlmeier ausdrücklich, ermutigte sie, weitere Projekte anzufangen und bedauerte, sie ohne Preisgeld nach Hause schicken zu müssen, da ihr Projekt abgeschlossen sei und die Nachhaltigkeit deshalb nicht gegeben.


Die Eröffnung der Ausstellung „Oh, eine Dummel!“ im Nienburger Rathaus war ein weiterer Programmpunkt des Abends. Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit in Karikatur und Satire sind der Inhalt der Ausstellung, die dort bis zum 25. November zu sehen ist. Geöffnet sein wird das Rathaus mit dieser Ausstellung auch am Sonnabend, 19. November, wenn ein breites Bündnis um den „Runden Tisch gegen Rassismus Nienburg“ und WABE – das Weser-Aller-Bündnis –zu einem Aktionstag am Ernst-Thoms-Platz mit Kundgebung um 11 Uhr einlädt. Hintergrund der Veranstaltung ist eine Demonstration, die die rechtsextreme Gruppe „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ für 14 Uhr an diesem Tag in Nienburg angemeldet hat. Das Bündnis will mit dem Aktionstag ein Zeichen setzen unter dem Motto „Nienburg – kein Ort für Neonazis!“.

Projektvorstellung

So haben die jugendlichen Akteur  ihr Projekt bei der Verleihung des Elisabeth-Weinheim-Preises am 9. November 2016 vorgestellt:

Serivan:
Meine Lehrerin hat in der Klasse gefragt, ob jemand bei einer Lesung vom Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg-Loccum zum Thema „Flüchtlinge seit der NS-Zeit“ mitmachen möchte und ich habe mich gemeldet, weil das interessant klang.

Ülkü:
Bei mir war das ähnlich. Mein Lehrer hat mich gefragt, ob ich da mitmachen wolle.
Ich wusste nicht genau, worum es geht, nur dass das Thema Flüchtlinge sind. Da dachte ich mir eben: da kann ich ja mal mitmachen.

Eduard:
Ich wusste ja schon ungefähr, wie das läuft. Weil ich letztes Jahr bei der Lesung zur Euthanasie schon dabei war. Jetzt war ich wieder dabei, weil mir das in der Gruppe so gut gefallen hat.

Serivan:
Einmal haben wir uns im Frühjahr getroffen und uns auf die Geschichten geeinigt, die wir erzählen wollten. Dann haben einige von uns Interviews mit Flüchtlingen geführt. Christine Gleiss, unsere Theaterpädagogin, hat das Manuskript zusammengestellt.
Und dann ging es richtig los mit einem Wochenende in der Evangelischen Akademie Loccum. Da haben wir an den Texten gearbeitet, daraus eine Inszenierung gemacht und den Song geschrieben.
Ganz schön harte Arbeit war das, hat aber auch viel Spaß gemacht.
Sechs Geschichten hatten wir schließlich, die wir erzählen wollten: von der jüdischen Familie Hammerschlag, die 1938 vor den Nazis aus Rehburg floh. Und von Paula, die 1939 aus Bad Rehburg fliehen konnte. Ihre ganze Familie wurde ermordet.

Ülkü:
Im Sommer sind wir Paula in Loccum begegnet. Sie ist jetzt 91 Jahre alt.

Serivan:
Ich fand es auch toll, dass wir unter anderem Fluchtgeschichten hatten, die von Menschen sind, die aus Deutschland fliehen mussten.
Mir selbst war vorher nicht bewusst, dass die Lage in Kriegsländern heutzutage vergleichbar mit der ehemaligen Lage Deutschlands ist, weshalb ich wirklich verwundert bin über Deutsche, die gegen Flüchtlinge sind.

Ülkü:
Annchen war auch noch ein Kind, als sie 1946 aus Pommern vertrieben wurde. Gestern haben Serivan, Paddy und ich bei einer Lesung gemeinsam mit Annchen auf der Bühne gestanden. Zu ihrer Geschichte hat sie ein Buch herausgegeben.
Dann war da noch Thie Thien, die in den 1980er Jahren aus Vietnam hierher geflohen ist. Und Karim. Dessen Familie stammt aus Palästina. Nach dem Gespräch mit ihm, als er von seiner Kindheit in Beirut erzählte, als Kindersoldat und wie er gefoltert wurde – danach waren wir alle ganz stumm.

Eduard:
Der Junge, der aus Eritrea geflohen ist und zwei Jahre brauchte, bis er hierher kam – das ist Antonio hier, der auch bei uns mitgemacht hat.
Antonios Appell an die Menschen hier in Deutschland hat am Ende der Lesung gestanden. Den hat er in Tigrinya, seiner Muttersprache, gesagt:

Antonio:
Bedschacha t’egestij. Besí hágger sía’addi ábgesij.

Eduard:
Auf Deutsch heißt das:

Antonio:
Bitte, habt Geduld mit mir! Helft mir bitte, damit dieses Land mein Zuhause wird!

Serivan:
Ich war total beeindruckt von den Geschichten und auch von den Menschen hinter den Geschichten. Ich finde es so mutig und so toll, dass diese Menschen so damit umgehen können und respektiere sie sehr dafür.

Ülkü:
Carolyn, die heute leider arbeiten muss, hat dazu gesagt:
„Dann möchte man unbedingt, dass Menschen diese Geschichten hören und Verständnis für die Flüchtlinge heutzutage haben. Was es für Nachteile hat, dass so viele Menschen fliehen, das hört man jeden Tag. Wenn man in die rechte Szene guckt, hört man es sogar im Sekundentakt.
Aber die Geschichten dieser Menschen, die hört man viel zu selten.“

Serivan:
Justin kann heute auch nicht hier sein, hat uns aber geschrieben:
„Mir haben die Geschichten gut gefallen, weil man sich so ein Bild machen kann von dem, was den Menschen widerfahren ist. Sonst hört man immer nur, jemand ist von da nach da geflohen, aber warum und aus welchen Gründen, weiß man nicht.“

Eduard:
Und dann haben wir die Lesung aufgeführt. Im Rehburger Ratskeller.
Zuerst vor Schulklassen. Da haben 200 Schüler vor uns gesessen und waren mucksmäuschenstill. Obwohl wir ungefähr 90 Minuten geredet haben.
Abends durften dann Erwachsene zu unserer Lesung kommen.

Serivan:
Ich habe es mir vorher gar nicht so emotional vorgestellt und auch nicht, dass so viele Zuschauer berührt waren, weshalb ich am Ende der ersten Lesung total überrascht war, dass so viele Tränen geflossen sind. Ich finde es aber auch unglaublich toll, was wir erreicht haben.

Eduard:
Das Beste war am Ende des Tages das Gefühl, etwas auf die Beine gestellt zu haben.

Serivan:
Ich habe auch das Gefühl, dass ich mit Flüchtlingen seit der Lesung ganz anders umgehe, da ich weiß, wie es wirklich war.
Das war eine unglaublich tolle Erfahrung, die ich am liebsten mit der ganzen Welt teilen möchte!
Ich hoffe, dass sich mehr Jugendliche für solche Geschichten interessieren und etwas unternehmen, damit wir nicht noch mehr solcher Geschichten hören müssen.

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