Süßes als Symbol der Versöhnung

Stolpersteine in Rehburg mit jüdischen Nachfahren aus USA verlegt

30. September 2016. Nachfahren von Opfern des Nationalsozialismus hat unser Arbeitskreis auch bei seiner dritten Stolperstein-Verlegung zu Gast gehabt. Welche politische Bedeutung solchen Aktionen und solchen Besuchen zukommt, hat Rehburg-Loccums Bürgermeister Martin Franke betont.

An drei weiteren Stellen in Rehburg-Loccum verlegt der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus.
An drei weiteren Stellen in Rehburg-Loccum verlegt der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus.

Ein Glas mit bunten Dragees - mitgebracht aus den USA und dem Bürgermeister der Stadt überreicht - steht als Symbol für Versöhnung. Sie spüre keine Bitterkeit gegen die Menschen aus dieser Stadt, sagte Dena Mason-Zied, deshalb schenke sie etwas Süßes.


Mason-Zied ist gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer Mutter und deren Schwester samt Ehemann aus Ohio zur Stolperstein-Verlegung nach Rehburg gekommen. Gemeinsam mit vielen Rehburg-Loccumern sind sie dabei gewesen, als der Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine für ihre Vorfahren in Rehburg verlegt hat. Für Selma und Julius Löwenberg, von denen Mason-Zieds Mutter und deren Schwester die Enkelinnen sind und die von den Nazis ermordet wurden. Und für die Töchter dieses Ehepaares, Gertrud und Frieda, die die Flucht vor den Nazis über Bolivien in die USA schafften und deren Töchter wiederum bei der Verlegung dabei waren.

Nachfahren der Familie Löwenberg sind nach Rehburg gekommen – und lassen sich von Mitgliedern des Arbeitskreises Stolpersteine die Gräber ihrer Vorfahren auf dem jüdischen Friedhof zeigen.
Nachfahren der Familie Löwenberg sind nach Rehburg gekommen – und lassen sich von Mitgliedern des Arbeitskreises Stolpersteine die Gräber ihrer Vorfahren auf dem jüdischen Friedhof zeigen.

Alle vier, für die Stolpersteine verlegt wurden, hatten zuvor in Rehburg gelebt – und wenn es anders gekommen wäre, könnte der Besuch aus den USA womöglich heute zu den Nachbarn, den Arbeitskollegen, den Freunden oder womöglich sogar zur Familie derjenigen gehören, die nun hier lebten, sagte Franke. Er hatte die Familie vor der Verlegung ins Rathaus eingeladen und sie gebeten, sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen. Damit ist es bereits der fünfte Besuch von Nachfahren der jüdischen Gemeinde, die es einmal in Rehburg gab, der in dieses Buch hineinschrieb.

Bedrückt hören die Gäste bei der Stolperstein-Verlegung die Schicksale der Menschen aus der jüdischen Gemeinde, die Opfer der Nationalsozialisten wurden.
Bedrückt hören die Gäste bei der Stolperstein-Verlegung die Schicksale der Menschen aus der jüdischen Gemeinde, die Opfer der Nationalsozialisten wurden.

Die dritte Verlegung ist es für unseren Arbeitskreis gewesen und nach derzeitigem Stand wird es auch die letzte gewesen sein. Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus nachzuvollziehen, anhand dessen Lebensgeschichten schreiben und die Steine verlegen zu lassen hat unser Kreis – in erster Linie Heinrich Lustfeld - mittlerweile für 29 Menschen gemacht. Einige weitere Namen hat er zwar noch genannt bekommen, zu deren Leben er aber nichts in Erfahrung bringen konnte. Was im kommenden Jahr gemacht werden solle, sagte Lustfeld, sei noch die Verlegung einer Stolperschwelle vor der ehemaligen Synagoge in Rehburg, um auf die Bedeutung dieses Ortes hinzuweisen.

Knien vor den Stolpersteinen: Dena Mason-Zied zeichnet die Stolpersteine auf einem Papier ab, um es als Erinnerung an den Tag in die USA mitzunehmen.
Knien vor den Stolpersteinen: Dena Mason-Zied zeichnet die Stolpersteine auf einem Papier ab, um es als Erinnerung an den Tag in die USA mitzunehmen.

Zwei Stolpersteine liegen jedoch bereits jetzt vor der Synagoge, für Sigmon und Anna Stern, ein Ehepaar, das dort lebte und ebenfalls von den Nazis ermordet wurde. An einer dritten Stelle ist der achte Stein des Tages in das Pflaster des Fußweges eingelassen worden. Hermann Levy wurde nicht ermordet, musste aber in die USA fliehen, nachdem er nach der Pogromnacht vom Mob auf Rehburgs Straßen zunächst abgeführt und dann in das Konzentrationslager Buchenwald verfrachtet worden war.

30 Prozent der Deutschen sind antisemitisch eingestellt, berichtet Ingrid Wettberg.
30 Prozent der Deutschen sind antisemitisch eingestellt, berichtet Ingrid Wettberg.

30 Prozent der Deutschen seien nach jüngsten Erhebungen antisemitisch eingestellt, sagte die Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, Ingrid Wettberg, in ihrer Ansprache – ein deutliches Zeichen dafür, wie wichtig solche Aktionen wie die Verlegung von Stolpersteinen sind. Noch notwendiger als vor drei Jahren, als der Arbeitskreis mit seinen Recherchen begann, sieht auch Martin Franke die Aktionen an. Er sei überzeugt, dass „wir“ Verantwortung übernehmen müssten und dafür Sorge tragen, Brücken zu bauen, nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame zu betonen. Wichtig sei das insbesondere in einer Zeit, in der in deutsche Parlamente Parteien einzögen, die eine unverhohlen fremdenfeindliche Rhetorik pflegten und nichts anderes zu bieten hätten als den Hass auf alles, was anders sei. In einer Zeit, in der ein Mann Präsident werden wolle, der ebenfalls unverhohlen fremdenfeindlich agiere und genetische Ursachen ins Feld führe, weshalb Angehörige einer bestimmten Religion per se nicht „amerikanisch“ seien.

Weiße Rosen für die Opfer legt Annekatrein Kleine vom Arbeitskreis neben den Stolpersteinen ab.
Weiße Rosen für die Opfer legt Annekatrein Kleine vom Arbeitskreis neben den Stolpersteinen ab.

In einer Zeit, in der in Syrien und anderswo grausamste Kriegsverbrechen begangen würden, vermeintlich im Namen eines Gottes, in der humanitäre Hilfslieferungen und Hochzeitsfeiern bombardiert würden und in der Kinder aufwüchsen, die nichts anderes kennten als töten oder getötet werden. Die Arbeit des Arbeitskreises Stolpersteine sei eine gute Grundlage für die Arbeit aller in Rehburg-Loccum, solche Brücken zu bauen. Eine Grundlage – jeder einzelne sei dennoch gefordert.

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