Die Anfänge des Nationalsozialismus beschreibt Bertolt Brecht in seinen 24 Szenen „Furcht und Elend des Dritten Reiches“. Sieben dieser Szenen aus dem alltäglichen Leben der 1930er Jahre hat unser Arbeitskreis als szenische Lesung inszeniert.
Hat er oder hat er nicht? Würde er es tun? Er wisse doch, was dann geschehen könne! - In einem Wohnzimmer in Köln im Jahre 1935 stellt sich ein Ehepaar an einem verregneten Sonntag diese Fragen.
Hat ihr Sohn sie denunziert? Ist er womöglich gerade dabei? Was haben sie nur in seiner Gegenwart gesagt? War es gegen die Nazis gerichtet? Wie hat der Junge es aufgefasst? Nach und nach keimen
erst der Verdacht, dann die Angst in diesen Minuten im Wohnzimmer und gipfeln in der Gewissheit: Er hat es getan und gleich kommen sie uns holen.
Sicherlich, der Junge kommt bald darauf zurück, mit Schokolade in der Hand. „Wo bist du gewesen?“, fragt ihn seine Mutter. „Schokolade holen!“, ist seine Antwort. Ein wenig Erleichterung macht
sich auf den Gesichtern der Eltern breit. Deutlich ist aber auch sichtbar: Der Zweifel bleibt.
„Der Spitzel“ hat Brecht diese Szene betitelt. Eine Szene, die, wenn sie nicht geschehen ist, nur vergessen hat zu geschehen, wie Peter Neu es ausdrückte. Der Loccumer hat die Lesung in unseren Räumen im Rehburger „Raths-Keller“ und als eines unserer Mitglieder initiiert – und hat sich viele Mitspieler gesucht. Etliche weitere Mitglieder des Arbeitskreises, Semiha Sivri und Konrad Ahl von der IGS Nienburg, zwei Musiker für improvisierte Klänge zwischen den Szenen – 15 Beteiligte holte Neu auf die beiden kleinen Bühnen des Arbeitskreises.
Die Szenen verdeutlichten jede für sich, wie die nationalsozialistische Diktatur und ihre Ideologie in alle Gesellschaftsschichten und alle Lebensbereiche der Menschen eindringe und Angst, Misstrauen und Terror verbreite, sagte Neu. Das wurde deutlich bei den beiden Bäckern im Gefängnis, von denen einer einsaß, weil er sich 1936 geweigert, Kleie ins Brot zu mischen, der andere, weil er zwei Jahre zuvor Kleie untergemischt hatte. Deutlich wurde es durch die Verhaftung der jungen Frau, die in ihrem Haushaltsbuch nachweisen konnte, dass alles teurer geworden war. Und auch durch die jüdische Frau, die 1935 ihren Mann verlässt, um nach Amsterdam zu fliehen.
Sehen und hören wollten die szenische Lesung mehr Menschen, als wir Stühle anzubieten hatten. Das machte bei „Die jüdische Frau“ wenig aus, denn diese Szene auf abseits gelegener Bühne sollte das Publikum ohnehin im Stehen erleben. Für die folgenden sechs Szenen nutzten unsere Gäste jede verfügbare Sitzgelegenheit – von Klappstühlen über Bühnen-Sessel bis zur Fensterbank. Doch wenn auch manche nicht gar so bequem sitzen konnten – der Tenor des Abends war, dass das angesichts des wichtigen unbequemen Themas keine Rolle gespielt habe.
Ans Ende seiner ausgewählten Szenen hatte Neu diejenige gesetzt, mit der auch Brecht endet: „Volksbefragung“, in der zwei Männer und eine Frau 1938 sinnieren, ob Widerstand möglich und nötig ist. Ihnen fehle ein Mann zur Textausarbeitung für ein Flugblatt, sagt einer, worauf die Frau sarkastisch antwortet: „Er hatte hunderttausend Mann für seinen Überfall. Uns fehlt ein Mann. Schön. Wenn nur er hat, was er braucht, dann wird er eben siegen.“ Zaghaft werfen die Männer ein, dass sie vielleicht doch nicht so wenige seien. Und fragen, was denn auf dem Flugblatt stehen solle. Das letzte Wort der Lesung stand damit IGS-Schülerin Semiha Sivri zu: „Nein!“
Einen literarischen Abend mit Auszügen aus Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ gab es am Dienstagabend, 25. September, in den Ausstellungsräumen des „Raths-Kellers“ in Rehburg. Mitglieder des Arbeitskreises und unsere Zehntklässler Semiha Sivri und Konrad Ahl gestalteten die szenische Lesung.
Aus 24 Szenen besteht Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“. Geschrieben hat er sie zwischen 1934 und 1938 und gezeigt, dass so manches darauf hinwies, dass das Dritte Reich „Furcht
und Elend“ mit sich bringen würde.
Brecht bediente sich alltäglicher Szenen und fügte sie zu einem Bild jener Jahre in Deutschland zusammen. Die Szenen haben keinen direkten Zusammenhang.
Insgesamt wird verdeutlicht, wie die NS- Diktatur in alle Schichten und Lebensbereiche der Menschen eindringt und Angst und Misstrauen verbreitet.
Sieben ausgewählte Szenen wurden von den Arbeitskreis-Mitgliedern gelesen. Unterstützt wurden sie dabei von Semiha und Konrad aus der Alpha 4. In einer Szene geht es z.B. um ein Ehepaar, das mitbekommt, wie ein Nachbar brutal verhaftet wird oder um eine jüdische Frau, die ihren Mann verlässt, weil er wegen ihr von anderen geächtet wird.
Konrad verkörpert in einer Szene überzeugend den Sohn eines merkwürdigen Ehepaars, das befürchtet, er könne sie anzeigen, weil in der heimischen Küche auch Kritik am NS-Regime geäußert wird. So wird verdeutlicht, wie das Misstrauen Familien spaltet und entzweit.
In einer anderen Szene bringen zwei SA-Männer einer alten Frau Spenden und nehmen darauf ihre Tochter (von Semiha gespielt) fest, nachdem die Mutter unvorsichtigerweise bemerkt, dass die Tochter die steigenden Lebensmittelpreise in ihrem Haushaltsbuch dokumentiert.
In der Szene „Volksbefragung“ liest Semiha auf beeindruckende Weise aus dem Brief eines Hingerichteten und sie beschließt mit Arbeitern aus dem Widerstand trotz schwieriger Umstände weiterzumachen.
Insgesamt haben die Zuschauer eine berührende szenische Lesung erlebt, in der Konrad und Semiha – gemeinsam mit den erwachsenen Darstellern aus dem Arbeitskreis – durch Emotionen und
glaubhafte Darstellung beeindruckten.
Einen literarischen Abend mit Auszügen aus Bertold Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ bieten wir für Dienstag, 25. September, 19.30 Uhr, in unseren Ausstellungsräumen im Gebäude des Rehburger „Raths-Kellers“ an. Mitglieder unseres Arbeitskreises gestalten den Abend als szenische Lesung.
Einige Telefongespräche führt sie noch, bevor sie abreist. Nach Amsterdam, weil das Leben für sie in Deutschland nicht mehr zu ertragen ist. Um sich zu verabschieden. Und darum zu bitten, dass
sich jemand um ihren Mann kümmert. Kaum hat sie den Hörer zum letzten Mal aufgelegt, beginnt sie zu überlegen, wie sie es ihrem Mann sagen kann. Dass die Koffer gepackt sind, sie gleich abfahren
wird. „Es ist ja nur für einige Wochen.“ – Wird sie ihm das sagen? Wird er ihr das glauben? Und ihr dennoch, jetzt, im Frühjahr, den Pelzmantel reichen? Ihr - der jüdischen Frau im Jahr 1935 in
Nazi-Deutschland?
Aus 24 Szenen besteht Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“. Geschrieben hat er sie in den Jahren 1934 bis 1938 und hat darin viele Aspekte zusammengefasst, die schon damals deutlich
darauf hinwiesen, dass das Dritte Reich nichts als Furcht und Elend mit sich bringen würde: Die Eltern, die ihren Sohn verdächtigen, sie zu denunzieren. Die Frau, die abgeführt wird, weil sie im
ordentlich geführten Haushaltsbuch vermerkt hat, dass alles teurer geworden ist.
Beispiele gab es genug, Brecht bediente sich ihrer für seine Szenen und fügte sie zu einem eindringlichen Bild jener Jahre in Deutschland zusammen. Max Frisch schrieb über Brechts Szenen: „Ein
Freund sagte mir: Das alles, was Brecht hier zeigt, erscheine ihm heute fast harmlos, gegenüber den späteren Ereignissen. Darin liegt vielleicht der größte Vorzug; die Ereignisse kennen wir, wir
suchen die Anfänge.“
Initiator des Abends ist der Loccumer Peter Neu, Mitglied unseres Arbeitskreises und Germanist. Die sieben ausgewählten Szenen werden von weiteren Arbeitskreis-Mitgliedern gelesen. Der Eintritt
zu dem literarischen Abend ist kostenlos.
Zu beachten geben wir, dass der Zugang zu unseren Räumen nicht barrierefrei ist. Sofern Besucher kommen möchte, für die eine Treppe ein Hindernis darstellt, bitten wir um vorherige
Kontaktaufnahme unter der Nummer (0 50 37) 13 89 oder unter arbeitskreis@stolpersteine-rehburg-loccum.de. Gemeinsam wird dann nach individuellen Lösungen gesucht.
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