Am 28. März 1942 über Ahlem nach Warschau deportiert
Todestag unbekannt
Stolperstein:
Alte Poststraße 13, Bad Rehburg
Heinz Wolfgang Freundlich wurde am 12. März 1929 in Bad Rehburg als Sohn von Else und Siegmund Freundlich geboren. Er war das vierte Kind der Familie. Mit Werner, Paula, Kurt, Gerda und Nesthäkchen Ruth Ilse hatte er fünf Geschwister.
In der Alten Poststraße 13 in Bad Rehburg hatten die Eltern seiner Mutter bereits gelebt. Heinz Wolfgangs Eltern zogen 1925 dorthin.
Am 28. März 1942 wurde die Familie zunächst in das Sammellager Ahlem und von dort in das Ghetto Warschau deportiert. Lediglich Heinz Schwester Paula entging der Deportation, da ihre Familie sie
Anfang 1939 mit einem Kindertransport nach England geschickt hatte. Heinz wurde ebenso wie seine Eltern und die weiteren vier Geschwister ermordet. Sein Todestag ist unbekannt. Wir gehen davon
aus, dass er seinen 14. Geburtstag nicht erlebt hat.
„Dass auch die Kinder den Judenstern tragen müssen!“ Dieser Satz von Else Freundlich, Heinz Mutter, steht auf einer der Tafeln unserer Ausstellung. Darauf ist die Silhouette der
weinenden Else zu sehen.
Handel mit Juden war den Geschäftsleuten und Handwerkern durch die Nazis verboten. Viele hielten sich daran. Andere setzten sich darüber hinweg. Friederich Bultmann, Schuster in Münchehagen,
reparierte dennoch - auch nach dem Verbot - die Schuhe für die Bad Rehburger Familie Freundlich. Nachdem der Ortsgruppenleiter der NSDAP ihm allerdings als Drohung die Frage gestellt hatte, ob er
auch da hinkommen wolle, „wo die anderen landen“, ging Else Freundlich nur noch nach Einbruch der Dunkelheit zu dem Schuster.
Willi Bultmann, der Sohn dieses Schusters, erinnert sich noch genau an einen Abend im Herbst 1941. Else Freundlich brachte Schuhe zu ihnen nach Hause. In der Diele wurde sie von Willi Bultmanns
Mutter gefragt, wie es ihr denn so gehe. Else Freundlich brach daraufhin in Tränen aus und sagte: „Dass auch die Kinder nun einen Judenstern an der Jacke tragen müssen.“
Das Tragen des so genannten ‚Judensterns’ wurde für alle Juden ab sechs Jahren mit Datum vom 1. September 1941 verpflichtend. Das bedeutete, dass nicht nur Heinz Eltern sondern auch deren Kinder
Werner, Heinz Wolfgang, Kurt und Gerda den gelben Stern an ihrer Kleidung haben mussten.
Den Fingerzeig, Repressalien und Übergriffe gab es aber schon zuvor für die Juden – und auch für die Kinder der Familie Freundlich. So erzählte uns Heinz Schwester Paula etwa, was ihre Brüder in
der Volksschule in Bad Rehburg zu erdulden hatten. Dort legte es der Lehrer gerne darauf an, genau diese Kinder zu züchtigen. Vorher, vor der NS-Zeit, soll das noch anders gewesen sein. Nun aber
bekamen Werner, Kurt und Heinz regelmäßig Prügel mit dem Stock. Brach dieser ab, schickte der Lehrer die Jungen los, um einen neuen zu holen.
Heinz konnte die Schule in Bad Rehburg nicht lange besuchen. Kurz nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde den jüdischen Kindern verboten, in die regulären Schulen zu gehen. Danach
musste Heinz, ebenso wie seine Geschwister Kurt und Gerda, die Israelitische Gartenbauschule in Ahlem – rund 40 Kilometer von Bad Rehburg entfernt – besuchen.
In dem kleinen Ort Bad Rehburg, in dem sie lebten, ist es den Kindern der Freundlichs auch ansonsten nicht gut ergangen. So erzählte uns Paula Freundlich, dass es den nicht-jüdischen Kindern
verboten wurde, mit ihnen zu spielen. Ob es nun das gemeinsame Schlittschuh laufen auf dem Tränenteich oder das Ballspiel war. Die Erwachsenen sollen alle Versuche der Kinder, doch wieder dazu zu
gehören, zunichte gemacht haben.
Von einer Nachricht erzählte uns Heinz Schwester Paula – von einem Telegramm, das das letzte Lebenszeichen von ihrer Familie war und das im Laufe der Jahre verloren gegangen ist. Paulas
Erinnerung aber ging nicht verloren. Paulas Vater Siegmund schrieb ihr darin, dass sie auf dem Weg nach Polen seien – er gemeinsam mit den drei Söhnen, ihre Mutter zusammen mit den zwei
Töchtern.
Am 28. März 1942 war die Familie Freundlich mit einem Bus aus Bad Rehburg abgeholt worden. Zum ‚Arbeitseinsatz nach Polen’ sollte es gehen. Drei Tage zuvor hatten sie mitgeteilt bekommen, was das
wenige war, das sie mitnehmen durften. Zunächst wurde die Familie zur Israelitischen Gartenbauschule in Ahlem gebracht, die nun als Sammellager diente. Wiederum drei Tage später wurden sie zum
Bahnhof nach Hannover gebracht – die Reise in das Ghetto Warschau begann.
Rund drei Monate später begann die SS mit der Räumung dieses Ghettos und dem Transport der Menschen, die in ihm lebten, in das nun fertig gestellte Vernichtungslager Treblinka II, ca. 80 km
nordöstlich von Warschau. Wahrscheinlich wurden Else, Siegmund und die fünf Kinder, die bei ihnen waren, dort sofort nach dem Eintreffen in einer Gaskammer mit Kohlenmonoxyd ermordet.
Lediglich Kurt, das drittälteste der Kinder, könnte der Ermordung noch ein wenig länger entgangen sein. Kurts Tante Clara Löwenstein, die in Köln lebte, schrieb am 28. November 1943 an Paula,
dass die Adresse ihrer Eltern und Geschwister ihr unbekannt sei. „Nur Kurt schreibt, er arbeitet in Warschau in einer Fabrik.“
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