Drei Grabsteine der Familie Hamlet stehen auf dem jüdischen Friedhof in Rehburg - die der Eltern und der Schwester von Julius Hamlet.
Die Mutter, Zerline Hamlet, starb bereits 1914. Zehn Jahre später, 1924, starb auch ihre Tochter Erna. Auf dem Grabstein steht „Erna Stein, geborene Hamlet“. Wir gehen davon aus, dass Ernas
Ehemann Hugo Stein war, der in Rehburg in dem – ebenfalls jüdischen – Geschäft „J.L. Weinberg“ arbeitete. Ebenfalls eine Vermutung ist es, dass das Paar erst nach 1915 heiratete. Aus jenem Jahr
haben wir eine Glückwunschkarte an ein Silberhochzeits-Paar vorliegen, die unterschrieben ist mit „M. Hamlet + Tochter“.
Michaelis Hamlet starb drei Jahre nach seiner Tochter Erna im Jahr 1927. Mit seinem Tod lebte kein Mitglied der Familie Hamlet mehr in Rehburg. Vom Verbleib von Ernas Ehemann haben wir keine
Kenntnis.
Michaelis Hamlet war von 1907 bis 1909 Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Rehburg. Vermutlich stammte er aus Detmold, da Hugo Stein wenige Wochen nach dem Tod von Erna beim Standesamt in Detmold
eine Geburtsurkunde von Michaelis Hamlet anforderte.
Von Zeitzeugen und aus Grundbüchern haben wir erfahren, dass die Familie Hamlet in der Mühlentorstraße Rehburgs ein Haus hatte – nahezu gegenüber dem Haus, in dem die Familie Löwenberg lebte, an der Straßenecke zur Heerhorststraße. Gekauft wurde es im Jahr 1883 von Michaelis Hamlet. Das Haus steht nicht mehr, uns ist aber ein Luftbild zur Verfügung gestellt worden. Die Familie lebte in dem giebelständigen Haus, das links auf dem Foto zu sehen ist.
Wir schließen aus einem Brief, den eine Rehburgerin uns zur Verfügung gestellt hat, dass Julius Hamlet bereits 1910 aus Rehburg nach Hamburg fortgezogen war. Julius schickte damals eine Gratulation zur Hochzeit einer Rehburgerin, datiert vom 8. Dezember 1910. Die Unterschrift lautet „Julius Hamlet und Frau“.
Der Briefkopf, den Julius für sein Glückwunschschreiben verwendete, stammt von „E. Calmann Bankgeschäft“ aus Hamburg Altona. Ernst Calmann war Bankier in Hamburg und Jude. Er hatte zahlreiche Dependancen in anderen Städten. Eine der Filialen seines Unternehmens befand sich in Hamburg-Altona. Wir vermuten, dass Julius dort für das Bankhaus arbeitete.
In Hamburg haben wir keine weiteren Spuren von Julius und seiner Frau gefunden. Allerdings gehen wir davon aus, dass Julius in Hamburg bis 1939 lebte, um dann nach England zu fliehen. Bei einem Besuch in Bad Rehburg im März 1939 sagte er, dass er und seine Frau am 21. März 1939 nach England fahren wollten.
Für die Zeit danach haben wir lediglich den Hinweis auf ein britisches Register bekommen, aus dem hervorgehen soll, dass ein Julius Hamlet, dessen Alter zu dem des Rehburgers passt, im Dezember
1945 in Großbritannien im Alter von 65 Jahren gestorben sei.
Unsere Spurensuche nach der Familie Hamlet dauert an. –
Dieses war unser Kenntnisstand bis Dezember 2018. Dann jedoch fiel uns ein Satz in den hinterlassenen Unterlagen des Rehburgers Heinz Hortian ins Auge: „Die Kinder von Julius Hamlet leben
jetzt in Israel.“
Diesen Satz hatten wir bislang übersehen. Da wir in den Jahren seit Beginn unserer Recherchen einige Bekannt- und auch Freundschaften zu Menschen in Israel aufgebaut haben, nutzten wir diese
Kontakte und baten Claudia und Ravi de Levie – entfernte Verwandte der Rehburger Familie Löwenberg – in ihrer Heimat Israel „ins Telefonbuch zu sehen“ auf der Suche nach einer Familie Hamlet.
Bereits einen Tag später meldete sich Rafi de Levie bei uns – er war fündig geworden und hatte gerade ein langes Gespräch mit Michael Hamlet geführt. Dem Enkel von Julius Hamlet, der hier in
Rehburg geboren wurde. Michael, berichtete Rafi, sei nicht nur sehr überrascht, sondern auch sehr erfreut und berührt gewesen über den Anruf und darüber, dass wir auf der Suche nach ihm
waren.
Hier folgt nun das, was Michael Hamlet uns von seiner Familie bislang erzählt hat:
Sein Vater Julius Hamlet war 1910 bereits mit seiner Frau Meta Mathilda, geborene Leib, verheiratet und lebte mit ihr in Hamburg. Das Paar bekam dort zwei Söhne: Kurt Robert, der am 11. Dezember 1910 geboren wurde, und Michaels Vater Hans Ludwig, geboren am 4. Februar 1914.
In Hamburg lebte die Familie in der Schäferkampsallee 39 – zentral gelegen, nicht weit entfernt vom Bahnhof Dammtor.
Wie wir schon aus anderen Unterlagen wussten, floh Julius mit seiner Frau Meta im März 1939 nach England. Sie lebten dort in London und wurden dreimal innerhalb der Kriegsjahre ausgebombt. Julius
überlebte das Kriegsende nur kurz – er starb am 19. Dezember 1945 und wurde auf dem Londoner Friedhof Hope Lane begraben.
Wenig später emigrierte seine Frau Meta nach Israel und starb dort 1969 im Alter von 94 Jahren.
Waren Julius und Meta 1939 noch geflohen, so hatte ihr Sohn Hans – Michaels Vater – bereits 1935, im Alter von 21 Jahren, die Flucht nach Palästina ergriffen. Dort heiratete er Ellen Bradt. Dem Paar wurde 1937 ihr Sohn Michael geboren.
Über die Eltern seiner Mutter Ellen schreibt Michael, dass sie am 14. Oktober 1941 aus ihrer Wohnung in Berlin gezerrt und in das Ghetto Kaunas (auch Kowno) in Litauen deportiert wurden. Bei
ihrer Auskunft seien sie von den Nazis erschossen worden.
Dazu ein Auszug von der Website „Zukunft braucht Erinnerung“:
„Von den fast 30.000 Bewohnern des Ghettos Kowno wurden in den ersten beiden Monaten nach Abriegelung des Ghettos vom August 1941 etwa 3000 ermordet. Die sogenannte „große Aktion“ am 28.10.1941
kostete weitere 9000 Menschen (davon etwa die Hälfte Kinder) das Leben. Die Menschen wurden ins in der Nähe gelegene Fort IX gebracht und dort erschossen.“
Was seinen Großeltern mütterlicherseits widerfahren ist, hat Michael Hamlet in seinem Leben oft beschäftigt. Zwei Karrieren habe er in seinem Berufsleben in Israel gehabt, schrieb er uns. Die erste im Verlagswesen, die zweite als Keramik-Künstler. Das Plakat von seiner letzten Ausstellung bevor er in den Ruhestand ging, hat er uns beigelegt. Der hebräische Text darauf lautet:
„Wir werden niemals vergessen. Michael Hamlet - Keramikkünstler, der sich verabschiedet und der an seine Familie erinnert, die im Holocaust umgekommen ist.“
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