Am 18. November 1941 nach Minsk deportiert
Am 28. Juli 1942 in Minsk ermordet
Stolperstein:
Mühlentorstraße 40, Rehburg
Julius Löwenberg wurde am 28. Juni 1874 in Rehburg als viertes von sechs Kindern des jüdischen Ehepaars David und Sara Löwenberg geboren. In seinem Elternhaus in der Mühlentorstraße 40 lebte er offiziell bis zum 7. November 1938. Zu diesem Zeitpunkt hatten Julius und seine Frau Selma Löwenberg sich in Rehburg abgemeldet, um nach Bremen zu ziehen. Da sie doch einige Tage länger in Rehburg blieben, erlebten sie dort die Pogromnacht. Julius wurde gemeinsam mit weiteren Rehburger Männern in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Dort wurde er am 20. Dezember 1938 entlassen und zog nach Bremen zu seinem Neffen Alfred Grünberg. Gemeinsam mit seiner Frau Selma wurde er von Bremen am 18. November 1941 nach Minsk deportiert. Als Todesdatum des Ehepaars ist der 28. Juli 1942 in Minsk verzeichnet.
Das vierte von sechs Kindern des Ehepaars David und Sara Löwenberg ist Julius gewesen. Vor ihm wurden Minna, ein Kind ohne Namen und Abraham Adolf, nach ihm die Kinder Frieda und Iwan geboren.
Julius Eltern David und Sara sind auf dem jüdischen Friedhof in Rehburg beerdigt worden. David starb 1909, Sara 1930. Ihre Grabsteine stehen noch heute.
Ihre älteste Tochter Minna heiratete Nathan Grünberg, zog zu ihm nach Bremen, emigrierte am 10. Januar 1939 nach Brasilien und starb dort am 13. Januar 1951. Das zweite Kind, das keinen Namen
bekam, starb vermutlich während der Geburt.
Julius Bruder Abraham Adolf Löwenberg, 1869 geboren, wurde von seinen Eltern nach der Volksschule in Rehburg zur Loccumer Klosterschule geschickt, studierte später und wurde Doktor der
Philosophie. Am 30. Dezember 1942 wurde Abraham Adolf in Theresienstadt ermordet.
Frieda Löwenberg, 1877 geboren, heiratete nach Büren und floh mit ihrer Familie über Shanghai und San Francisco nach Minnesota, wo sie 1964 starb. Iwan Löwenberg, der jüngste Bruder von Julius,
wurde 1880 geboren. Nach seiner Hochzeit lebte er in Oldenburg, wo er 1931 starb.
Nachdem Julius ältester Bruder, Abraham Adolf, sich als sehr intelligent erwiesen hatte und studierte, war es Julius – der nächstgeborene Sohn – der das Lederwarengeschäft seines Vaters David übernehmen sollte. Seine Frau Selma, geborene Adler, die aus Bremke in der Nähe von Göttingen stammte, zog also nach der Hochzeit vom 6. August 1906 zu Julius in die Mühlentorstraße 40 in Rehburg, wo sie gemeinsam mit Julius' Eltern lebten. Das Paar bekam zwei Töchter. Frieda wurde 1907, Gertrud 1911 geboren. Den Lebensunterhalt für die Familie verdiente Julius mit dem Lederwarengeschäft im eigenen Haus.
Über das Leben von Julius Löwenberg in Rehburg ist nicht viel bekannt. Einem Brief ist zu entnehmen, dass er im Ersten Weltkrieg Soldat war.
Zudem ist dem Bauantrag zum Wiederaufbau der Rehburger Synagoge - nach einem Brand im Dachgeschoss des Hauses - aus dem Jahr 1934 zu entnehmen, dass Julius Löwenberg damals Vorsteher der
Synagogengemeinde war. Da der vorhergehende Vorsteher Heine Goldschmidt 1932 starb, vermuten wir, dass Julius sein Nachfolger wurde und dieses Amt bis zu seiner Flucht nach Bremen im Dezember
1938 inne hatte.
In den Jahren nach 1933 nahmen auch in Rehburg die Repressalien gegen Juden zu. Einem 1929 geborenen Rehburger brannte sich eine Erinnerung ein, die er uns bei unseren Recherchen erzählte. Der
Rehburger erinnert sich an den Spruch, mit dem jemand in diesen Jahren das Haus der Familie Löwenberg beschmierte: „Die Juden stinken von weither, jagt sie ins Tote Meer. Die Juden jagt nach
Kanaan hin, weil wir sie hier nicht brauchen können.“
In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Julius von der SA verhaftet und zusammen mit den anderen Männern der jüdischen Familien in Rehburg im Spritzenhaus der Feuerwehr
eingesperrt und später über die Gestapo Hannover in das Konzentrationslager Buchenwald überführt.
Am 20. Dezember 1938 wurde Julius aus dem Konzentrationslager entlassen.
Er folgte daraufhin seiner Frau, die schon zuvor aus Rehburg geflohen und nach Bremen zum Neffen Alfred Grünberg in dessen Haus gezogen war.
Julius und Selma hatten dem Klima der Angst und der Begegnungsgefahr mit ihren Peinigern in Rehburg zu entfliehen versucht, um mehr Schutz in der Anonymität einer Großstadt zu finden. Doch dieser
Schutz war trügerisch.
Anfang November 1941 bekamen sie den Deportationsbefehl.
Dazu Auszüge aus „Erinnern für die Zukunft e.V. – Spurensuche Bremen“:
„Am 18. November 1941 mussten 440 Bremer Juden vor der Schule Am Barkhof antreten. Gemeinsam mit Gefangenen aus dem Regierungsbezirk Stade marschierten sie anschließend zum Lloydbahnhof
(besonderes Empfangsgebäude für den Auswandererverkehr nach Bremerhaven). Von dort wurden sie mit Zügen ins Ghetto Minsk deportiert, wo sie acht Monate lang Zwangsarbeit verrichten mussten, bevor
sie am 28. oder 29. Juli 1942 umgebracht wurden."
Das Ghetto Minsk war jener von deutschen Besatzungstruppen abgeriegelte Stadtbezirk im Nordwesten der weißrussischen Hauptstadt. In mehreren Aktionen wurden die dort internierten Menschen
erschossen. So auch bei der großen Ghettoräumung Ende Juli 1942, bei der nachweislich insgesamt 10.000 Juden ermordet wurden, davon vermutlich 5.000 im Lager Maly Trostinez.
Am 28. Juli 1942 setzten die Deutschen bei ihren Tötungsaktionen erstmals Gaswagen in Minsk ein, mit denen alle „nicht arbeitsfähigen“ Personen in diesen umgebauten Lastkraftwagen abtransportiert
und ermordet wurden.
Der Todestag von Selma und Julius wurde mit dem 28.7.1942 angegeben.
Auf dem Gehsteig vor dem Haus, in dem einst die Familie Löwenberg lebte, in der jetzigen Mühlentorstraße 40, sind am 30. September 2016 Stolpersteine zum Gedenken an Julius Löwenberg, an seine
Frau Selma und die Töchter des Paares, Frieda und Gertrud, verlegt worden.
Heinrich Lustfeld
Juli 2017
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