Besuch aus Israel hat der Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg-Loccum im Mai 2015 bekommen. Das jüdische Ehepaar de Levie ist auf der Suche nach Spuren seiner Vorfahren in Deutschland.
Der Sohn von Rafael de Levies Ururgroßmutter, Julius Löwenberg, ist am 28. Juli 1942 in Minsk ermordet worden. Weder Julius Löwenberg noch seine Frau Selma, die das Schicksal ihres Mannes teilte, haben jemals ein Grab bekommen. Auf dem jüdischen Friedhof in Rehburg stehen aber noch die Grabsteine von Julius Eltern, Sara und David Löwenberg. Dort, an diesen Grabsteinen, hält Rafael de Levie inne und spricht ein Gebet – natürlich auf Hebräisch. „Das haben wir hier noch nie erlebt“, sagt Annekatrein Kleine aus dem Arbeitskreis. Und dabei ist es nicht das erste Mal, dass der Rehburg-Loccumer Stolperstein-Arbeitskreis mit Nachfahren jüdische Opfer der NS-Zeit auf dem Friedhof steht.
Claudia und Rafael de Levie freuen sich über den gepflegten Zustand des Friedhofs. An anderen Orten, erzählen sie, stehe das Gras so hoch, dass die Grabsteine nicht mehr zu sehen seien.
In Rehburg aber können sie gut die Inschriften der Steine sehen, auch wenn manche arg verwittert sind. Die meisten der Steine haben auf einer Seite eine deutsche Inschrift, auf der anderen ist in
Hebräisch verzeichnet, wer dort bestattet wurde. Was dem Arbeitskreis bisher nicht gelungen ist, nämlich die Übersetzung der hebräischen Inschriften, fällt den de Levies leicht. Erste
Übersetzungen nehmen sie gleich auf dem Friedhof vor und versprechen, alle Texte von den Fotos, die sie überreicht bekommen, zu übertragen – später, wenn sie wieder zu Hause in Israel sind. Dann
wird Claudia de Levie vermutlich noch viel mehr zu tun haben, denn Rehburg-Loccum ist nicht die einzige Station ihrer Reise. In Berlin, Norden, Leer, Cuxhaven und an anderen Orten sind sie zuvor
schon gewesen – immer auf den Spuren ihrer beider Familien.
Vor zwei Jahren, als sie pensioniert wurde, habe sie mit der Recherche begonnen, sagt Claudia de Levie und erzählt von zwei Begebenheiten. Einmal davon, dass ihre Tochter vor Jahrzehnten ein
Referat über den Holocaust halten sollte und fragte, wie viele Mitglieder ihrer Familie ermordet worden seien. Fünf oder sechs, habe sie damals zur Antwort gegeben. Vor nicht allzu langer Zeit
wollte ihre Enkelin dann nach Auschwitz fahren und eine Liste mit Namen aus ihrer Familie mitnehmen, die in Konzentrationslagern waren. Diese Liste – nach den ersten Recherchen – habe ungefähr
150 Namen umfasst. Unter ihnen sind auch die Namen des Rehburger Ehepaars Löwenberg.
Den Kontakt zum Rehburg-Loccumer Arbeitskreis hat das Ehepaar vor einigen Monaten über diese Website aufgenommen. Aus einer ersten Mail hat sich mittlerweile ein umfangreicher Schriftverkehr
ergeben, der für beide Seiten viele Erkenntnisse gebracht hat. Heinrich Lustfeld aus Rehburg widmet sich dieser Aufgabe. Er hat auch das Programm für den Besuch der de Levies zusammengestellt.
Der Gang zum Friedhof gehörte dazu. Ein Besuch der bereits verlegten Stolpersteine. Eine Führung durch das Loccumer Kloster, wo einer der Vorfahren die Schule besuchte. Ein Treffen zum
Gespräch mit dem Arbeitskreis. Ein Empfang bei Bürgermeister Martin Franke mit Eintragung ins Goldene Buch der Stadt. Und auch eine Besichtigung des Hauses, in dem die Familie Löwenberg damals,
bevor sie deportiert wurde, lebte.
Alte Fotografien hat Claudia de Levie auf ihrem Handy. Familienbilder vor dem Haus. ‚Oma Rehburg’, wie Rafael de Levies Ururgroßmutter immer genannt wurde, als Matriarchin inmitten einer großen
Familie. Dort, vor dem Haus, sollen in 2016 Stolpersteine verlegt werden. Für Julius und Selma Löwenberg, die ermordet wurden. Und auch für deren Töchter Frieda und Gertrud, die fliehen konnten.
Vielleicht, sagt Claudia de Levie, würde Friedas Enkelin aus Ohio dann zu Besuch nach Rehburg kommen. Der Holocaust hat die Reste der Familie in alle Welt zerstreut.
Viel gibt es zu erzählen in diesen Tagen. Obwohl in den Jahrzehnten nach dem Holocaust sehr wenig oder oft auch nichts erzählt wurde. Rafael de Levies Eltern flohen vor den Nationalsozialisten
nach Argentinien. Wie das Leben sich veränderte, was sie auch dort teilweise auszuhalten hatten, das werde immer noch zu wenig thematisiert, sagt er. Viele Juden seien nach Argentinien geflohen.
Aber auch viele der Täter seien dorthin gekommen. Und Opfer und Täter lebten teilweise Tür an Tür. Nur 200 Meter vom Haus seiner Frau entfernt habe Adolf Eichmann gelebt – der Mann, der für die
Organisation der Vertreibung und Deportation der Juden zuständig war. Juden, sagt Rafael de Levie, seien auch in Argentinien nicht unbedingt wohl gelitten gewesen. Was einer der Gründe gewesen
sei, weshalb er und seine Frau 1974 nach Israel übersiedelten. Dort, in Israel, fügt er hinzu, fehle ihnen eigentlich nichts – außer dem richtigen Frieden.
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