Das älteste Dokument über die Ansiedlung von Juden in Rehburg ist ein Schutzbrief für Matthias Salomon, ausgestellt im Jahr 1707. Dieser Schutzbrief ist auch der älteste seiner Art im gesamten Landkreis Nienburg.
Was aber ist überhaupt ein Schutzbrief für Juden? Dazu ein Auszug aus dem Historischen Lexikon Bayerns:
„Der Judenschutz war ein Rechtsprinzip, das vor der Emanzipationsgetzgebung im 19. Jahrhundert die Rahmenbedingungen jüdischer Existenz im Reichsgebiet bestimmte. Verbunden war damit das Recht zur Aufnahme, zur Besteuerung, aber auch zur Vertreibung von Juden. Die Grundlage bildeten zeitgebundene theologische Vorstellungen, welche Juden als prinzipiell minderberechtigt sowie schutzbedürftig einstuften. Kirchliches und weltliches Recht beinhalteten jeweils eigene Schutzbefugnisse, in denen die Ansprüche der mittelalterlichen Gewalten des Papsttums und des Kaisertums wurzelten. Davon ausgehend erlangten im Spätmittelalter die geistlichen und weltlichen Fürsten sowie der Niederadel das Recht zur Ausübung des Judenschutzes…“
Der Schutzbrief für Matthias Salomon, ausgestellt im Namen Georgs I. (1660 bis 1727), Herzog zu Braunschweig und Monarch der Welfen, geht einher mit Rechten, die er als Schutzjude in Rehburg bekommt, aber auch mit mannigfaltigen Pflichten.
Zusammengefasst wird ihm zugesichert, dass er in Rehburg Handel treiben darf. Auflagen hat er zu erfüllen bei der Eintreibung von Schulden und hat zudem das Recht, bestimmte Unterstützungen von den „Beambten“ zu bekommen.
Er darf Geld verleihen. Explizit wird ausgeschlossen, dass er Münzen prägen darf und hat sich ansonsten an die bestehende Gesetzgebung zu halten.
Das Schlachten ist ihm für den Eigenbedarf erlaubt. Zudem darf er einige Teile des Fleisches der Tiere weiterverkaufen – allerdings nur so viel, dass es den übrigen Knochenhauern in der Umgebung
nicht zum Nachteil gereicht.
Für all diese Zugeständnisse muss er jährlich an Michaelis, also am 29. September, ein „Schutzgeld“ in Höhe von vier Reichstalern zahlen.
Den Schutzbrief für Matthias Salomon haben wir transkribieren lassen und stellen hier den vollständigen Wortlaut zur Verfügung:
Von Gottes Gnaden Georg Ludewig, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg des heiligen Röm. Reichs Churfürst;
Urkunden hiemit und bekennen, das wir auf unterthänigstes Anhalten Matthias Salomon Judens in Gnaden zugelaßen und verstattet haben, daß derselbe
mit seinen Weibe und unverheyrahteten Kindern, eigenen Hausgenoßen, und Haabseeligkeit zu, in unsern Flecken Rehburg sich häuslich enthalten möge, gestalt wir dann hiemit und in Kraft dieses ihn
und die Seinigen in unsern sonderbahren Schutz, Schirm und Vertretung gegen ungerechten Gewalt von letzt abgewichenen Michaelis dieses 1706ten Jahrs, anzurechnen, zehen Jahrlang, und als bis
wieder Michaelis des Eintausend Siebenhundert und Sechzehnten Jahrs auß und angenommen haben, thun daßelbe auch hiemit, der gestalt und also, daß Er- und die mitvergleitete geziemende Nahrung und
zuläßigen Handel daselbst ohnbehindert treibe, so dann gleich andern unsern Unterthanen und angehörigen bey Reich und Recht geschützet, und die Justiz jedesmahl unweigerlich administrieret werden
sollt, hergegen hat vermeldter Matthias Salomon zugesaget und versprochen daß Uns Er getreu und Holt seyn, Unser bestes wissen und befordern, Schaden und Arges, aber abwenden, auch sonsten ohne
argerniß im Leben und Wandel sich erweisen, gegen Männglich sch…d und friedlich sich verhalten, so dann ferner vor seiner ordentlicher Obrigkeit, als vor unserer Beambten zur Rehburg in prima,
und unserer Justiz Cantzley in Secunda Justa Recht nehmen wie geben solle und wolle.
Damit er aber wißen möge weßen, in Ahnung der Zinsen auf die von ihm gegen gewiße Güldene und Slberne, auch andere [Pfande?] ausleihende Gelder, Er ins künftige sich zu verhalten, soll er auf keine Summen so über 30 Thaler anlasten, mehr als jährlich Neun Thaler auf jedes Hundert prorata temporis zurechnen, nehmen, gleichwol auch den Schuldener frey stehen, alle Monath seine Pfande wieder einzulösen.
Was aber biß auf 30 Thaler und darunter sich erstrecket, mag er wöchentlich auf einen Thaler einen Goßlarischen Pfenning, deren Zwölft einen Marien
Groschen machen, nehmen, und dem Debitori freystehen, alle Wochen sein Pfand, gegen Erlegung Capitals und Zinse, zu lösen. Er soll aber hergegen schuldig seyn, die Pfande, wenn sie nicht wieder
gelöset werden, auf eineJahr unverkauft bey sich zu behalten.
Nach Ablauf des Jahres aber und dafern der Schuldner weder Zinse noch Capital abführen würde, soll Er macht haben, auf des Debitoris Kosten, dieselben durch einen geschworenen Gerichts-Diener, dreymahl nemlich von 14 Tagen zu 14 Tagen zu Einlösung der Pfande annahmen, und falls nach solcher sechs wochentlicher Frist, und besagter maßen geschehener dreyfacher Anmahnung, dennoch die Zahlung, so wenig an Zinsen als an Capital erfolgen würde, diejenige Sachen, welche durch die Zeit consumieret werden, als Kleider, Bette, Wolle, Garn, Linnen, Seyden, und Wüllene, oder Linnene Stoße und andere dergleichen Sachen, welche ohne Abgang und Schaden nicht füglich lange Zeit hinliegen können, nach vorgängig bey unseren Beambten zur Rehburg oder bey einer anderen Obrigkeit, worunter der Schuldner im mediate geseßen, und vor welcher er zu Gericht zustehen schuldig, gethaner Anzeige, und durch den Gerichts Diener geschehener glaubhaften und zwar schriftlichen Bescheinigung oder sonst zum Gerichts-Protocoll geschehener Anzeige, der vorgedachtermaßen, gethaner dreymahliger Anmahnung, durch einen Gerichts Diener öffentlich, jedoch ohne Benennung deßen, deme die Pfande zugehören auf öffentlichen Markt, an einem Markt-Tage in der Wochen, ausrufen und feil bieten zulaßen. Damit auf die dazu erforderten Koste Kosten nicht zu hoch angeschlagen sondern deßfalls eine rechte Gewißheit gesetzt werden möge: so wollen wir, daß ofterwehnten Gerichts-Diener, für jedes mahlige Anmahnunge mehr nicht als 1,7 bis 3 Magr. nach dem die Pfande hoch oder gering, für die Aus-Rufe, und Feilbietung aber, von jedem Thaler 1 Magr. oder 8 gute Pfennige gereichet werden sollen. Was dann von dem Meistbietenden vor die verkaufte Pfande bezahlet wird, davon soll zuvorderst ihme Matthias Salomon sein ausgeliehenes Geld an Capital und zulässigen Zinsen, gereichet, weniger nicht die Anmahn- und Ausrufungs-Kosten davon erstattet: der Überrest aber dem Debitori, ohnweigerlich abgefolget, oder auf die Gerichts-Stube deponieret werden.
Wenn aber niemand dieselbe zukaufen begehren solte, werden sie alsdann gedachten Juden für seine ausgeliehenen Gelder und angewandte Gerichts-Kosten billig zugeschlagen. Die Gold- und Silberne – auch andere Pfande, so durch die Zeit nicht so balt abgenützet, noch in ihrem Wehrt geringert werden, sollen hierunter zwar in so weit verstanden und begriffen seyn, daß wenn nach Ablauf eines gantzen Jahrs die Zinse nicht abgeführet werden, die Lose, wie oben gesetzet, dreymahl durch einen Gerichts-Diener innerhalb 6 Wochen geschehen mag.
Es sollen aber, wenn dadurch die Zahlung weder an Zinsen noch an Capital nicht erfolget, die Pfande anderst nicht, als vor unseren Beambten durch
Werkverstandige Leute und Handwerker auf des Debitoris Kosten, estimiret und verkaufet, und was dann nach Abzug der Schuld und der Vorderungskosten, welche wol muglich ist, leidlich anzuschlagen,
übrig sein wird, den Schuldener herausgegeben oder in der Gerichts-Stube, auf des Schuldener Gefahr, jedoch versiegelt, deponieret werden.
Gestohlene Güter soll Er Jude gar nicht an sich erhandeln, da ihme jedennoch verdächtige Sache zu Hause gebracht würden, mag er zwar mit unserer
Beambten vorbewust, und gegen einen ihm drüber ertheilten Schein, etwas an Gelde auszahlen, doch soll er gehalten seyn die selbe sechs Monate in guter Verwahrung zu behalten.
Nach derselben Verfließung aber ihm freystehen dieselbe mit unserer Beambten vorbewußt ums gebührlichen Wehrt loszuschlagen und zu verkaufen, von solchem Gelde sein ausgezahltes Capital zu sambt denen bis dahin darauf gehörigen Zinsen vorabzunehmen, das übrige aber mehr bemelten Unsern Beambten auszuantworten, damit derhalbe sothanen Überfluß, noch ein halbes Jahr über bey sich in deposito gehalten – und da sich inmittelst der rechte Eygenthums Herr nicht aufinden würde, als denn nach Unserer weiteren Anordnung damit verfahren können. Würde aber innerhalb der vorbedachten halben Jahrs Frist, der rechte Eigenthums Herr sich anfinden, und daß er derselbige sey wie sichs gebühret, erweisen und darthun So soll besagter Jude demselben angeregte gestohlen gewesene Güter, gegen wieder Erhebung der darauf verschloßene Gelder und einer ziemlichen neben [Beleibüße?] ohnweigerlich wieder abfolgen zulaßen schuldig seyn.
Kirchen-Güter und Sachen pfandweise anzunehmen oder sonst an sich zu bringen, wird ihm hiemit gäntzlich verbohten, da ihm aber solche etwa zu Handen gebracht würden, soll er dieselben an sich halten, besagten Unsern Beambten solches sofort kund thun, und deßen weiterer Verordnung darüber erwarten. Des Schlachtens mag Er sich zwar wohl zu seiner Nohtturft ohnverweislich gebrauchen, und was Er davon für sich nicht gebrauchen kan, solches, absonderlich an den Ohrt da Er wohnt, andern verkaufen, doch allezeit geringer, als es von denen Fleischhauern daselbst verkaufet wird. Er soll aber mit den Schlachten also verfahren, daß die Knochenhauer sich deswegen zubeschweren keine befugten Uhrsachen haben.
Müntze zu pachten, oder sich sonsten dabey interessiret zumachen, soll ihme hiemit gantzlich verbohten seyn, doch wollen wir gnädigst geschehen
laßen, daß er sowol auf die Müntzen als sonsten Silber und Gold verhandeln und verkauften, wie nicht weniger so wol Einheimschen als Reisenden und Frembten mit Wechsel- und und benöhtigter
Umsetzung der Gelder bedienet sei…ge, jedoch mit dieser ausdrücklichen Bescheidenheit, daß er sich hierunter denen Reichs Abschieden durchaus gemäß bezeigen, auch dahin sehen solle, damit durch
solche ihm vergönnte Umsetzung der Gelder, nicht betrüglicher Weise intendiert werde, Grob Müntz-Sorten aufzuwechseln und aus dem Lande zuverführen, und hergegen andere frembde kleine und
untüchtige Sorten hineine zu bringen und damit unsere Lande anzufüllen.
An Contribution und andern von der Nahrung dependirenden umpflichten, soll er wie seyn Nachbahr die Gebuhrniß bey tragen, doch über die Billigkeit
nicht beschweret, mit Einquartierung und Wachten aber, zumahlen er sich deswegen mit seinen Hauß Herrn zuvereinbaren, übersehen werden Wann auch obbemelte Jahre verfloßen: so behalten wir uns
bevor, ob Wir ihm weiter geleit gegen wollen oder nicht.
Wieder aber zeitig vorher bey Uns sich deswegen unterthänigst anmelden, so wollen wir uns deßhalber weiteres in Gnade zu erklären wißen.
Hergegen soll uns unserer Churfürstlichen Cammer, Er für sich und die seinigen zum jährlichen Schutz Gelde allemahl vier Rthlr auf Michaelis zuentrichten schuldig seyn, auch wen Er und die Seinigen in Unsern Fürstenthümern und Landen reisen, mit dem gewöhnlichen Personal-Juden-Zoll angehorigen Ohrten zwar verschonet werden, jedoch soll er denn Zoll und ander Ungeld von denen mit sich führenden, oder ihm sonst zukommenden Waaren und Gütern, gleich andern unsern unterthanen abführen und bezahlen, oder aber deren verlustig seyn, Gestalt er dann deßwegen, und daß er dieser unserer gnädigsten Concession, ein Genugen Schutzzolle, seinen schriftlichen Revers von sich zu stellen hat. Und befehlen nun allen und unsern Bedienten und unterthanen auch angehörigen hiemit gnädiglich und wollen daß sie gegen diesen unsern ertheilten Schutz-Brief oder deßen glaubwürdige Abschrift nicht vornehmen noch verfügen, sondern demselben gehorsamlich nachkommen, und gedachten Juden und die seinige solcher unserer gnadigsten Concession unbehindert genießen laßen, auch ihn Ambts halber dabey Schützen und Handhaben sollen. Geben in unserer Residents-Stadt Hannover dem 22 January 1707.
Georg Ludwig
Cuhrfürst
In fidem daß diese Copey mit dem original Ort Hattorf
Privilegy bekant zu … einst… und [comandiere?], ist des Ambts Einsiegel hier aufgeleget, und kan … p. t. [Drosten?] …nhändig unterschrieben. So
ge… Rehburg 19 … Febr. 1707
Ludwig
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